Geteilte Aufgaben und weite Wege

  07.12.2017    Handball Frauen 1 Frauen
Spielerin und Trainerin statt Spielertrainerin: Judit Lukacs verstärkt den TSV Schmiden auf dem Feld.

Von der Sporthalle Bühl zur Kurt-App-Halle sind es rund 60 Kilometer, eine gute Stunde Autofahrt, doch alles Jammern hilft nichts. Auch am Samstag muss Judit Lukacs, 35, wieder von einer Halle zur anderen eilen, von einem Handballspiel zum nächsten, diesmal von Rutesheim nach Pfullingen. Judit Lukacs hat diesen Weg gewählt, sie ist von einer Spielertrainerin zu einer Spielerin und einer Trainerin geworden. Beim SV Ludwigsburg-Oßweil lenkte sie fünf Jahre lang das Spiel auf dem Feld und verantwortete das Team zugleich auch außerhalb. Seit dieser Saison nun spielt Judit Lukacs beim TSV Schmiden in der Württemberg-Liga und trainiert die Frauen der SKV Rutesheim in der Bezirksliga. Das hat zur Folge, dass sie an den Wochenenden zwei Aufgaben an unterschiedlichen Orten zu bewältigen hat. Die Handballerinnen der SKV Rutesheim, Tabellenvorletzte im Bezirk Achalm-Nagold, empfangen um 14 Uhr die Gäste des TSV Betzingen. Nur vier Stunden später spielt der Verbund des TSV Schmiden beim VfL Pfullingen. Von der Sporthalle Bühl zur Kurt-App-Halle – und das ist bei weitem nicht der längste Weg, den Judit Lukacs in dieser Runde zurücklegen muss.

Bisher war es zumindest so, dass die erfahrene Rückraumspielerin ihre Familie um sich wusste. Ihre ältere Schwester Reka Katona-Lukacs, 36, war vor dieser Saison mit nach Schmiden gekommen. Ihre jüngere Schwester Viktoria, 24, spielt bei der SKV Rutesheim. Doch Reka Katona-Lukacs hat jüngst verkündet, nicht mehr beim TSV Schmiden spielen zu wollen; noch bevor sie dort so richtig angekommen ist. Sie lässt Judit Lukacs traurig zurück. Beim SV Ludwigsburg-Oßweil spielten sie zuletzt in der Württemberg-Liga noch alle gemeinsam: Viktoria, Reka und Judit. Doch am Ende der Saison blieben dort zu wenige Spielerinnen übrig, woraufhin der Verein das Team zurückzog. „Die beiden letzten Jahre in Ludwigsburg waren meine schönsten als Handballerin“, sagt Judit Lukacs. Mit den Schwestern waren auch Jessica Johannes und die Torfrau Kim-Nicole Bauer nach Schmiden gewechselt. Beim Aufsteiger läuft es sportlich gut in dieser Saison, das Ensemble um den Trainer Thomas Fürst mischt in der Spitzengruppe der Württemberg-Liga mit. Bei Judit Lukacs dagegen lief es zuletzt nicht mehr ganz so rund wie noch zu Beginn der Saison. Eine Muskelverletzung im rechten Bein hemmte sie.

Doch es schien bei den vergangenen Auftritten fast so, als sei die Verletzung nicht die einzige Bremse gewesen. Nun ist also klar, dass sie ihre Laufbahn als Spielerin ohne ihre Schwester Reka fortsetzen muss. Judit Lukacs kann den Schritt nachvollziehen, versteht aber nicht, wie es überhaupt zum Aus kommen konnte. Reka Katona-Lukacs, die von Mitspielerinnen als ruhig und zurückhaltend  beschrieben wird, hatte sich offenbar mehr Spielanteile gewünscht. Diese konnte ihr der Trainer Thomas Fürst jedoch nicht geben – aufgrund der spielerischen Leistung, wie er sagt. Judit Lukacs dagegen ist besser integriert. „Mit ihrer Erfahrung und ihrem Können ist sie eine wichtige Stütze im Team“, sagt Thomas Fürst. Beides hat die 35-jährige Ungarin, die in ihrer Heimat Sport studiert hat und zudem ein Diplom in Journalismus besitzt, aus ihren früheren Stationen mit nach Schmiden gebracht. Heute arbeitet sie in Möglingen in einer Physiotherapie-Praxis.

Bevor sie im Jahr 2007 nach Deutschland kam, hatte sie in verschiedenen Vereinen ihres Heimatlandes höherklassig gespielt. Dann wechselte sie zum VfL Waiblingen in die zweite Bundesliga, wo sie gemeinsam mit der Oeffingerin Lana Holder auf dem Feld stand. Es folgten die sportlichen Engagements in Bietigheim und Pflugfelden, ehe Judit Lukacs im Jahr 2012 zum SV Ludwigsburg-Oßweil wechselte. Und nun also der TSV Schmiden. „Das Gesamtpaket musste passen“, sagt sie zu ihren Beweggründen, diese neue Herausforderung anzunehmen. „Jetzt kann ich wieder Luft holen und mich auf mein Spiel konzentrieren“, sagt die Spielerin Judit Lukacs. Doch die Trainerin Judit Lukacs denkt auch an den kommenden Samstag: an die Begegnung in Rutesheim und die lange Fahrt im Anschluss von der Sporthalle Bühl zur Kurt-App-Halle in Pfullingen.

erstellt von Maximilian Hamm von der Fellbacher Zeitung