Die Olympischen Spiele 2028 im Visier

  01.08.2023    TSV Schmiden Handball Frauen Frauen 1
In Lani Gronwald hat der Handball-Baden-Württemberg-Oberligist HC Schmiden/Oeffingen eine Nationalspielerin zwischen den Pfosten. Weil ihr Vater US-Amerikaner ist, darf sie auch für die USA spielen und hofft in Los Angeles dabei zu sein.

Wenn ein nationaler Handball-Spitzenclub wie die SG BBM Ladies aus Bietigheim wieder einmal eine Nationalspielerin verpflichten, dann ist das schon lange nichts besonderes mehr. Schon seit vielen Jahren tummeln sich beim viermaligen deutschen Meister und Europapokalsieger von 2022 Teilnehmerinnen und Medaillengewinnerinnen von Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen. Ganz anders müsste eigentlich der Fall liegen, wenn ein Aufsteiger in die vierthöchste Klasse (Baden-Württemberg-Oberliga) einen Neuzugang mit internationalen Einsätzen für ein Nationalteam zu bieten hat.

Dass die Verpflichtung von Lani Gronwald beim HC Schmiden/Oeffingen dennoch nicht für die ganz große Aufmerksamkeit gesorgt hat, liegt freilich am persönlichen Hintergrund der 19-Jährigen: Sie spielt nicht mit Norwegen, Dänemark oder den Niederlanden um Medaillen bei den ganz großen Wettbewerben. Vielmehr hütet der Neuzugang aus der A-Jugend von Frisch Auf Göppingen das Tor der US-amerikanischen Handballnationalmannschaft, einer Nation, die in dieser Sportart – mit allem Respekt – eher ein Entwicklungsland ist. „Wenn ich das Nationaltrikot trage, dann bin ich von ganzem Herzen eine amerikanische Patriotin. Dann bekomme ich auch eine Gänsehaut, wenn die Hymne gespielt wird“, sagt die in Leonberg-Höfingen aufgewachsene Gronwald, die aufgrund ihres Vaters die US-Staatsbürgerschaft besitzt.

Zum Einsatz gekommen ist der HC-Zugang für das Auswahlteam der 350-Millionen-Einwohner-Nation bislang erst bei einer Gelegenheit, nämlich bei der U-20-Weltmeisterschaft im vergangenen Jahr in Slowenien. Hergestellt hat den Kontakt zum Verband die Mitspielerin Julia Rienhardt, mit der die 1,67 Meter große Torhüterin in Göppingen zusammen in der Jugend-Bundesliga gespielt hat. Die in Detroit geborene Geislingerin war schon länger für Jugend-Auswahlmannschaften der USA aktiv, sie gab den Trainern den entscheidenden Tipp. „Von da an ging alles ziemlich schnell, ein paar Wochen später war ich schon beim WM-Vorbereitungslehrgang in Ungarn mit dabei“, sagt Lani Gronwald. Zum sehr international aufgestellten Team der Nationaltrainerin Edina Borsos (selbst Ungarin) gehörten neben insgesamt drei „Deutsch-Amerikanerinnen“ auch Akteurinnen mit mexikanischem, französischem, schwedischen, argentinischen und norwegischen Hintergrund, sowie eine einzige klassische US-Amerikanerin. „So langsam tut sich da drüben etwas. Es werden Stützpunkte eingerichtet, professionelle Trainer engagiert und es soll eine Liga aufgebaut werden. Insgesamt sind wir aber gegenüber Europa noch weit im Rückstand“, sagt die Schwäbin, die mit ihrem Team bei der U-20-WM weitgehend chancenlos war. Ein einziges Spiel (28:26 gegen den Nachbarn Mexiko) gewannen die US-Girls, ansonsten setzte es ausnahmslos Niederlagen wie beim 5:46 gegen Ungarn oder beim deutlich knapperen 30:32 gegen Kasachstan.

 

Blut geleckt für weitere internationale Engagements hat die ehemalige Jugendspielerin des SV Leonberg/Eltingen und der Hbi Weilimdorf/Feuerbach aber auf jeden Fall. Mittlerweile ist sie in das Frauen-Nationalteam der USA aufgerückt und dort die zweite Torhüterin neben Sophie Fasold, die normalerweise für den deutschen Erstligisten VfL Oldenburg das Tor hütet. Aktuell wartet die Online-Medien-Studentin, die vor einigen Monaten von Leonberg nach Schmiden gezogen ist und deshalb das Angebot des HC gerne angenommen hat, auf eine E-Mail aus den USA mit der Einladung zur nächsten Veranstaltung. Ende August werden die US-Handballerinnen an einem Qualifikationsturnier in der Dominikanischen Republik teilnehmen und versuchen, sich dort eines von zwei noch zu vergebenden Tickets für die Panamerikanischen Spiele in Santiago de Chile (20. Oktober bis 5. November) zu sichern. „Die Qualifikation fällt mitten in unsere Saisonvorbereitung, das gefällt mir nicht so sehr. Trotzdem werde ich natürlich meine Tasche packen und fliegen“, sagt Lani Gronwald, die mit ihrem neuen Club schon abgesprochen hat, dass sie für beide internationalen Veranstaltungen freigestellt werden würde.

Für den größten Teil der Saison, in dem die Nationalspielerin, die in der Vergangenheit regelmäßig mit den Göppinger Zweitligafrauen trainieren durfte, das Vereinstrikot des HC Schmiden/Oeffingen trägt, hat sie ehrgeizige Pläne: „Ich glaube, wir haben einen sehr guten Kader. Da können wir auch als Aufsteiger ganz vorne mitmischen.“ Das ganz große Ziel mit dem Nationalteam sind derweil die Olympischen Spiele 2028. Die finden in Los Angeles statt und die US-Girls haben dort als Gastgeber einen automatischen Startplatz.

erstellt von Harald Landwehr von der Fellbacher Zeitung